Von Freitag, dem 14.02., bis Samstag, den 15.02.2025, fand die 21. Fachtagung zum Thema „Fischartenschutz & Gewässerökologie“ im Best Western Hotel in Jena statt. Sie wurde durch die Arbeitsgruppe Artenschutz Thüringen e. V. und den Verband für Angeln und Naturschutz Thüringen e. V. organisiert. Mit einem Grußwort des Leiters der Arbeitsgruppe Artenschutz Herrn Martin Görner und des Herrn Ministers Tilo Kummer vom Ministerium für Umwelt, Energie, Naturschutz und Forsten, wurde die 21. Fachtagung offiziell eröffnet.
Als erster Referent trug Herr Karl-Heinz Jährling zum Thema: „Der europäische Stör und dessen Situation im Elbeeinzugsgebiet – ist Positives über den „Störfall“ zu berichten oder bleibt alles beim Alten?“ vor. In seinem Vortrag resümierte er 15 Jahre des Störprojekts des Landes Sachsen-Anhalt und verwies unter anderem darauf, dass auch Störe einst in der Saale in Thüringen vorkamen. Der Stör stellte eine häufige Art mit großen Fangzahlen dar. Nach 1930 konnten in der Mittelelbe jedoch nur noch Einzelfänge nachgewiesen werden. Im Vordergrund des Vortrags stand das Muldeeinzugsgebiet der Elbe und nicht das Saale- oder Haveleinzugsgebiet. Von 2007 bis 2015 wurden 19.600 Jungstöre für die drei Einzugsgebiete besetzt, die vom Alter zwischen drei Monaten und einem Jahr variierten. Seit nunmehr neun Jahren findet kein Störbesatz mehr im Elbegebiet statt, seit 2020 werden jedoch regelmäßig adulte Rückkehrer verzeichnet. Im Vortrag wurden diverse kritische Engpässe für die Lebensstadien des Störs aufgezeigt und mit praktischen Renaturierungsmaßnahmen und Erfahrungen ergänzt. Es wurde darauf verwiesen, dass Sauerstofflöcher in der Elbe weiterhin ein großes Problem darstellen. Perspektivisch muss ein stabiler Sauerstoffgehalt gewährleistet werden sowie die longitudinale Durchgängigkeit der Elbe und ihrer Zuflüsse.
Herr Daniel Hühn vom Institut für Binnenfischerei e.V. Potsdam Sacrow stellte die Projektergebnisse von „Auswirkungen von Bergbauaktivitäten auf Fischgemeinschaften und die Dynamik von Nahrungsnetzen in einem Tieflandfluss“ vor. Im Vordergrund standen die gewässerökologischen Folgen durch Eiseneinleitung infolge des Bergbaus auf Kiesel- und Grünalgen, Makroinvertebraten und die lokale Fischzönose. Bei den Fischen konnten Verschmelzungen der Kiemenlamellen und Hypertrophie der Epithelzellen, eine erhöhte Mortalität im Eistadium, kleinere Larvenlängen beim Schlupf sowie entwicklungsbiologische Deformationen verzeichnet werden. Unterhalb der Talsperre Spremberg an der Spree konnten sowohl weniger und räumlich kleinere Abschnitte mit hohen Belastungen als auch kaum terrestrische Insekten festgestellt werden. Bei den Fischen am Beispiel der Ukelei wurden geringere Korpulenzfaktoren aufgrund der erhöhten Eisenkonzentration festgestellt, da weniger aquatische Nahrung zur Verfügung steht. Ursache für die geringeren Abundanzen des Makrozoobenthos sind unter anderem die belasteten kiesigen Abschnitte der Spree und das geringe Algenaufkommen aufgrund der erhöhten Gewässertrübung.
Herr Daniel Schmidt vom Team Ferox und Herr Norbert Große vom Sachverständigenbüro LIMNOSA berichteten über die „Aktive Wiederansiedlung von Fischen, Makrozoobenthos und Makrophyten in sächsischen Fließgewässern – Ergebnisse eines FuE-Vorhabens“. Im Vordergrund standen hierbei vorbereitende Untersuchungen zum Wiederansiedlungsprojekt unter den Gesichtspunkten der Durchgängigkeit (11.883 Querbauwerke in Sachsen) und Fischzönosen der Untersuchungs- bzw. potenziellen Spendergewässer. Betont wurde der Wiederansiedlungsfokus auf eine einzige Art, vor allem unter dem Gesichtspunkt der Räuber-Beute-Beziehungen, da selbst hier diverse Herausforderungen zu bewältigen sind. Die Lauflängen und Untersuchungsstrecken sollten möglichst groß gewählt werden, um die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Wiederansiedlung zu maximieren. Auch beim Makrozoobenthos werden nach erfolgten Renaturierungsmaßnahmen nur geringe Wiederbesiedlungserfolge verzeichnet. Grund hierfür können Querbauwerke wie Talsperren sein, die eine Einwanderung unterbinden oder fehlende submerse Vegetation. Die Tiere sollten nicht mittels Kicksampling überführt werden, sondern der Transfer sollte anhand von Strukturen erfolgen. Die Empfängergewässer sollten immer den Ansprüchen der Leitarten entsprechen und der Fraßdruck sowie die vorhandene Konkurrenzsituation beachtet werden. Hierzu existieren diverse wissenschaftliche Studien, welche einen Überblick zur Ansiedlung geeigneter Arten bieten.
Den letzten Vortrag des Tages hielt Herr Roman Fricke in Vertretung für Dr. Dirk Hübner zu „Auswirkungen von genehmigungsfreien strukturverbessernden Maßnahmen auf die Bestände von Äsche und Nase in der Oberen Lahn“. Im Rahmen des LIFE-Projekts wurden von 2017 bis 2021 umfangreiche Untersuchungen durchgeführt, um die Belastungen für die beiden Zielarten Äsche und Nase zu erforschen. Neben abiotischen Faktoren wurden die individuellen Entwicklungsstadien mitsamt Laichplatzqualität und anderen Lebensräumen dokumentiert. Ebenfalls wurde der Einfluss des Kormorans während der Wintermonate auf die Bestände der adulten Tiere untersucht. Im Rahmen des Projekts wurden umfangreiche Strukturierungsmaßnahmen an mehreren Stellen der Lahn zwischen Biedenkopf und Marburg durchgeführt wie etwa der Rückbau von Uferbefestigungen, die Abflachung von Ufern und Schaffung von Buchten und Kolken. Als Ergebnis der Untersuchungen ging unter anderem hervor, dass die Äsche mindestens zwei zusammenhängende Flusskilometer benötigt, die Nase sogar fünf Flusskilometer. Die Zählung der Kormorane wurde von 2019 bis 2021 als Citizen-Science-Projekt durchgeführt und die Öffentlichkeit in das Projekt und die Fragestellung miteinbezogen.
Die zweite Tagungshälfte am Samstag, den 15.02.2025, eröffnete Herr Franz Josef Lohmar vom Verein Fischschutz contra Kormoran e. V. zum Thema „Schäden an Fischen durch geschützte Arten: Der Kormoran“. Er berichtete über die Datensammlung des Vereins und Prüfung von Fangstatistiken, um den Einfluss des Kormorans an den Gewässern auf die Fischbestände zu konkretisieren. Ebenfalls verwies er auf die rechtliche Problematik und den Interessenskonflikt im Naturschutz anhand der europäischen Vogelschutzrichtlinie (RL 2009/147/EG) und Zielerreichung der europäischen Wasserrahmenrichtlinie (RL 2000/60/EG).
Herr Dr. Joachim Pander vom Lehrstuhl für Aquatische Systembiologie der Technischen Universität München referierte über „Lebensstadien basierte Renaturierung von Schlüsselhabitaten in hochgradig veränderten Fließgewässern“. Er betonte, dass neben dem gewählten Habitat vor allem die Substrat- und Wasserqualität von entscheidender Bedeutung für den Erfolg einer geplanten Renaturierung sind. Der schwankende Temperaturhaushalt hat profunde Auswirkungen auf die Synchronisation von Schlupf der Fischlarve und Größe des verfügbaren Zooplanktons als deren Nahrungsgrundlage. In den hydromorphologisch stark überprägten Fließgewässern seien kaum ausreichend mit Sauerstoff versorgte Kieslückensysteme (Interstitial) als Reproduktionsgrundlage für diverse Fischarten verfügbar. Hinsichtlich der Kolmation sind die superfeinen Fraktionen mit Korngrößen < 0,43 mm ein entscheidendes Problem. Die Kieseinbringung im Rahmen der Renaturierungsprojekte wurde einmalig genehmigt und im Folgenden in eine Betriebsvorschrift überführt, was eine permanente und einfache Nachbetreuung ermöglicht. Es erfolgten ebenfalls Studien zum Schlupferfolg im Bezug zum schwankenden Durchfluss, auch aufgrund der vorhandenen Wasserkraftanlagen. Es konnte gezeigt werden, dass manche Fischeier selbst ein Trockenfallen von sechs Stunden überleben können und dementsprechend eine gewisse Resilienz aufweisen.
Herr Dr. Tobias Epple von der Fischereifachberatung des Bezirks Unterfranken berichtete über „Die Beeinflussung von Wanderbewegungen potamodromer Fischarten durch diverse Umweltfaktoren“. Es wurden insgesamt fünf Staustufen der Iller über viereinhalb Jahre untersucht und aufsteigende Fische über Zählbecken erfasst. Insgesamt konnten 66.000 Individuen aus 33 Arten nachgewiesen werden. Es konnte gezeigt werden, dass die Äsche sehr sensibel auf Wassertemperaturen zwischen 6 und 7°C reagiert, der Hecht beispielsweise ein deutlich breiteres Temperaturspektrum zur Wanderzeit aufweist, es jedoch Trends bei 10–11°C gibt. Wie auch in der Literatur beschrieben findet die Wanderung der Jungfische meist im Sommer bei hohen Wassertemperaturen statt, die Motivation zur Wanderung ist jedoch abhängig von der Art und des Entwicklungsstadiums. So konnte gezeigt werden, dass adulte Äschen einen niedrigen Luftdruck, juvenile Äschen jedoch einen höheren Luftdruck präferieren. Die Untersuchung lieferte wichtige Erkenntnisse zu den assoziierten abiotischen Faktoren und könnte durch zukünftige ergänzende Forschung einen wichtigen Beitrag liefern, um Wanderbewegungen von Fischen genauer zu prognostizieren und Wanderphasen sicherer zu gestalten (z. B. durch Abschalten von Wasserkraftanlagen). Es wurde abschließend betont, dass die Wassertemperatur und die Tageslänge die wichtigsten Faktoren der Wanderbewegungen von potamodromen Fischen darstellen.
Herr Karsten Schmidt vom Verband für Angeln und Naturschutz Thüringen e.V. hielt einen Vortrag mit dem Thema „Fragen zur praxisnahen Angelfischerei in naturnahen Gewässern“. Er betonte die gesetzliche Verpflichtung der Angler/-innen innerhalb eines modernen fischereilichen Managements (vormals Hege und Pflege genannt). Weiterhin forderte er die bessere Vernetzung zwischen Wissenschaft sowie deren Erkenntnissen und den zuständigen Fachbehörden für zukünftige Projekte und Informationsaustausch. Im Vordergrund standen hierbei die Planung diverser lebensraumverbessernder Maßnahmen, die Bereitstellung von Bruthäusern für naturschutzfachlich relevante Fischarten und die zukünftig angestrebte Form der Bewirtschaftung von Gewässern durch die Angelfischerei. Hierzu gäbe es großen Bedarf vorhandenes und neues Wissen zusammenzutragen, um Ausübende der Angelfischerei weiterzubilden, da in vielen Bereichen (Ertrag- und Ertragsfähigkeiten, nachhaltige Fischerei, Berechnung und Ausgabe Erlaubnisscheine) noch große Defizite bestehen. Es wurde ebenfalls auf die Thematik von Blei und Gummifischen in der Fischerei verwiesen, die sich stark negativ auf die Gewässerqualität, Organismen und Ökosysteme im Ganzen auswirken.
Den letzten Vortrag der Fachtagung hielt Gerhard Kemmler zum Thema „Handreichungen und Arbeitshilfen im Wasserrecht“. Anhand von praktischen Beispielen verwies er auf das unausgeglichene Verhältnis zwischen dem energetischen Nutzen und den verursachten ökologischen Schäden durch Querbauwerke, speziell Wasserkraftanlagen. Im Sinne der europäischen Wasserrahmenrichtlinie könne die angestrebte Verbesserung der Oberflächengewässer in den guten ökologischen Zustand bzw. das gute ökologische Potenzial nicht erreicht werden, solange die longitudinale Durchgängigkeit an den meisten Gewässern nicht gegeben ist. Die Auswirkungen der Wasserkraft auf den Wasser-, Temperatur- und Geschiebehaushalt der Gewässer seien zu groß und stünden geplanten Renaturierungs- und Wiederansiedlungsprojekten im Weg. Herr Kemmler zeigte ebenfalls die gesetzlichen Grundlagen im Wasserhaushaltsgesetz und Umweltschadensgesetz auf und untermauerte dies mit ausgewählten Fallbeispielen.
Nach einem Schlusswort von Herrn Martin Görner, dem Leiter der Arbeitsgruppe Artenschutz Thüringen e. V., wurde die 21. Fachtagung „Fischartenschutz & Gewässerökologie“ offiziell beendet. Die Arbeitsgruppe bedankt sich bei allen Referenten und den zahlreichen Teilnehmer/-innen.
A. B.